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Heißer Disput bei Januarkälte

Tourismusverein unterstützt Kerstin und Patrick List bei Informationsveranstaltung zum Campingpark in Dittelstedt
(von Iris Pelny)

Minus acht Grad Außentemperatur: Da denkt man nicht wie erhitzend das Thema Campingpark wirken kann. Doch wer Mittwochabend den Weg ins Café Sonja nach Dittelstedt fand, erlebte genau dies. Teils hitzig wurde diskutiert, dafür und dagegen. Und für die Bedingungen ringsum.
Eingeladen hatten zur Informationsveranstaltung die Investoren Kerstin und Patrick List. Ihnen zur Seite stellten sich etliche Mitglieder des Tourismusvereins Erfurt, Vorsitzender Karl-Heinz Kindervater hatte auch die Moderation angeboten. Und stellte eingangs klar: „Wir machen keine Geschäfte. Aber wir unterstützen unsere Mitglieder, denn sie schaffen, was Touristen in Erfurt suchen und brauchen.“
Ein Caravan-Stellplatz mit modernen Service gehört auf jeden Fall dazu, wissen die Familie List aus eigener Camper-Erfahrung – wie auch die Stadträte im Saal. Seit 20 Jahren wird darum in Erfurt diskutiert. Es gab seitens der Stadt diverse Vorschläge für Stellplätze, aber keine Investoren, sagte beispielsweise Urs Warweg. „Auch wir haben uns viele Grundstücke angeschaut“, so Kerstin List. Aber beispielsweise am Roten Berg mit einem Heizwerk im Rücken, das sei keine Option gewesen. Per Power-Point-Präsentation stellten die Investoren in Ausführlichkeit erst mal ihre jetzigen Planungen für das Areal an der Rudolstädter Straße in Dittelstedt vor: von der Zielgruppe der über 40-Jährigen bis zum Service und der ökologischen Parkgestaltung.
„Es ist für uns schön über unser eigenes Projekt zu reden“, sagte die künftige Campingpark-Betreiberin. Und konnte doch ihre Anspannung vor dem Abend schlecht verheimlichen. „Alle Fragen sollen auf den Tisch“, sagte ihr Mann angesichts des heftigen Gegenwinds der Dittelstedter im Vorfeld. 50 Prozent der Einwohner haben sich per Unterschrift gegen das Projekt in ihrem Ort ausgesprochen. Wogegen genau, ging daraus jedoch nicht hervor. Und gezielte Nachfragen von Karl-Heinz-Kindervater prallten immer wieder an allgemeinen Protesten ab. Man wolle das eben nicht, keine touristische Nutzung, sondern Erhalt des traditionell landwirtschaftlichen Charakters des Ortsteils. Warum dann Gemüse-Fischer das seit zig Jahren verwaiste gute Ackerland nicht erworben habe und beackere, wurde mit Preisdiskussionen abgewehrt. Doch der Makler saß im Publikum, sprach von seinen Bemühungen, den Boden zu verkaufen. Wohnbebauung wurde ebenso abgelehnt wie Gewerbeansiedlung.
Beim Campingpark ginge die Stadt nun mit und die Familie List ließ sich bisher nicht verschrecken. Sie holte sich fachlichen Rat unter anderem beim Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) und derzeit lässt sie ein Lärmgutachten erstellen. Und sie wurde Mitglied im Tourismusverein, um sich mit erfahrenen Partnern auszutauschen, das Anliegen des Vereins – Strukturen für Stadtbesucher auszubauen – auf ihre Weise zu unterstützen. In Sachen Lärmbelastung, sagt Vorsitzender Karl-Heinz Kindervater, habe man sich bundesweit an Kommunen gewandt, die bereits Erfahrung mit Campingparks in Stadtnähe haben. Keine habe von negativen Belastungen gesprochen.
Übrigens: Den vermeintlich 50 Prozent Ablehnung stehen „demokratisch gesehen“ wohl dann auch 50 Prozent andere Meinungen entgegen. Schnell stellte sich heraus, dass nicht alle Besucher, für die noch Stühle nachgestellt werden mussten, dem Projekt mit Intoleranz gegenüberstehen. Sie packten ihre Fragen wirklich auf den Tisch:
Werden die Gespannfahrer, konkret bei der sehr engen Abfahrt von der stark frequentierten Rudolstädter Straße in den Park, die Verkehrsgefährdung zum Beispiel für die Anwohnerkinder noch erhöhen? Ob eine Ausweisung als Tempo-30-Zone hier möglich ist, entscheide letztlich die Straßenverkehrsbehörde, sagte Tourismusvereinsmitglied Dr. Saitz, „nicht der Investor“. Doch den Hinweis nahm Patrick List schon mal auf. Und verwies auf schätzungsweise 7 bis 15 Caravan-Ein- und Ausfahrten pro Tag.
Wie wird die akustische Abgrenzung des Parks zu den Nachbarwohnhäusern erfolgen? Angedacht sei derzeit eine schützende Hecke, antwortete Kerstin List.
Und werden die Hundefreunde unter den Campern dann die benachbarte Streuobstwiese verunreinigen? Nein, es gäbe ein Hundeareal auf dem Platz, sogar eine Hundedusche, so die Familie List. Zudem ziehen sie selbst in die dafür ausgebaute Scheune, seien als Ansprechpartner bei Problemen also stets vor Ort.
Wichtig war auch der Hinweis eines Bürgers auf bereits bestehende Probleme mit der Kanalisation im Ort, die durch den Campingpark noch verstärkt werden könnten. Denn das Ehepaar List will unter anderem eine Ver- und Entsorgungsstation für das Schmutzwasser der Wohnmobile anbieten.
So mancher Veranstaltungsbesucher outete sich gleichfalls als Camper, brachte gute Erfahrungen von unterwegs mit ein. Und stellte für Erfurt immer wieder fest: Hier fehlt seit langem ein ansprechendes Angebot, um befreundete Camper zu interessieren. Die Stadt allein ist durchaus attraktiv für Anfahrten. Doch wo dann bleiben?
Das wollen Kerstin und Patrick List beantworten helfen. Haben dafür seit 2014 schon viel Vorarbeit investiert. Und wissen den Tourismusverein als Mitstreiter an ihrer Seite. Gemeinsam wollen sie den hürdenreichen Weg — demnächst über die öffentliche Auslegung und weitere Ausschusstermine — gehen. Dabei wird sicher noch manche weitere Informationsveranstaltung nötig werden. Doch nach der ersten in Dittelstedt, wissen die Leute nun schon mal wen sie bei Fragen ansprechen können.

01/2017